Das
Englische Vollblut
Das
Englische Vollblut bezeichnet eine speziell für den (Galopp-)
Rennsport gezüchtete Pferderasse aus der Gruppe der Vollblüter.
In Abstammungspapieren werden Englische Vollblüter zur einfachen
Unterscheidung von anderen Pferderassen durch ein »xx« hinter
dem Namen gekennzeichnet.
Die
Engländer nennen das Galopprennpferd »thoroughbred«,
was übersetzt soviel wie "durchgezüchtet"
bedeutet. Diese Bezeichnung ist treffender als das deutsche Wort »Vollblut«.
Und in der Tat ist der Vollblüter seit ca. 30 Generationen
durchgezüchtet. Man kann seinen Stammbaum bis zu den Gründerhengsten
aus dem frühen 18. Jahrhundert zurückverfolgen und die
Stutenlinien teilweise noch bis in das 17. Jahrhundert. Während
die Warmblüter - ausgenommen die Trakehner-Zucht - erst Ende
des 19. / Anfang 20. Jahrhunderts mit der Anlage von Stutbüchern
begonnen haben, werden diese bei den Vollblütern seit Jahrhunderten
geführt.
Englische Vollblüter gelten als die schnellsten Rennpferde
der Welt. Auf Auktionen erzielten sie oft Höchstpreise von
mehreren Millionen Dollar.
Ein
Pferderennen in Killarney, Irland
Zuchtgeschichte
Sie
wurden im späten 17. / frühen 18. Jahrhundert in England
aus einheimischen leichten Warmblutstuten und drei importierten
orientalischen Hengsten gezüchtet. Diese Hengste,
Byerley Turk (keine genauen Angaben zur Rasse, Achal-Tekkiner
bzw. Turkmene vermutet), Darley Arabian (Arabisches Vollblut)
und Godolphin Barb (zuweilen auch Godolphin Arabian,
ein Araber oder Berber) gelten als die Stammväter des Englischen
Vollblutpferdes. Einer neueren Studie zufolge, die auf einer DNA-Analyse
basiert, ist Darley Arabian in direkter männlicher
Linie über seinen Sohn Eclipse Stammvater von 95%
aller heute lebenden Englischen Vollblüter. Zu Beginn der
Vollblutzucht bis ca. 1750 wurden ungefähr 100 Araber-Hengste
verschiedener Provenienzen eingesetzt. Bis auf die genannten drei
Stammväter sind alle in der Hengstlinie nach spätestens
100 Jahren (um 1800) wieder verschwunden. In direkter mütterlicher
Linie lassen sich alle heute lebenden Englischen Vollblüter
auf ca. 30 sog. »Gründerstuten« (»Stammmütter«)
zurückverfolgen, deren heute bedeutendste eine »Old
Bald Peg« (* um 1645) genannte Stute ist.
Seit 1793 ist diese Pferderasse über die Eintragungsberechtigung
ins »General Stud Book« definiert. Für
eine Eintragung muss nachgewisen werden, dass seit mindestens
acht Generationen alle Vorfahren des Pferdes reine Vollblüter
waren. Pferde, bei denen diese Bedingung nicht erfüllt ist,
gelten als Halbblüter (Vollblutanteil oft 99%). Nach dem
Zweiten Weltkrieg ist dieser Fall häufig aufgetreten, weil
die Identität mancher Vollblüter nach den Kriegs- und
Fluchtwirren nicht eindeutig geklärt werden konnte, sie aber
vom äußeren Eindruck mit großer Wahrscheinlichkeit
Vollblüter waren. Ebenso kann die Eintragung aus politischen
Gründen verweigert werden. Dies war z.B. mit den Nachkommen
der Stute Asterblüte des Gestüts Schlenderhan
geschehen. Asterblütes Vater Pharis wurde
1940 in Frankreich von deutschen Truppen mit Waffengewalt geraubt.
Marcel Boussac, der Züchter und Besitzer von Pharis,
setzte nach dem Krieg durch, dass die Nachkommen von Pharis
in Deutschland nicht als Vollblüter gelten. Erst in den 1980igern
wurde in dieser Angelegenheit eine gütliche Einigung herbeigeführt.
Im 19. Jahrhundert hatte man Befürchtungen, dass wegen zu
weniger Individuen, die von noch weniger Vorfahren abstammen,
die Rasse bald unter Inzucht leiden würde. Deswegen wurden
erneut Arabische Vollblüter eingekreuzt. Die Produkte aus
diesen Kreuzungen waren aber viel langsamer als die reinrassigen
Englischen Vollblüter und so wurde das Experiment nach kurzer
Zeit beendet.Das Vollblut ist eine internationale Pferderasse,
deren Rennleistungen für die Zucht relevant sind.
Zuchtverfahren
Als
(Vollblut-) Züchter wird üblicherweise der Halter einer
Mutterstute bezeichnet. Er wählt für seine Stute in
jedem Frühjahr (sog. „Decksaison“, auf der nördlichen
Hemisphäre vom 15. Februar bis etwa Mitte Juni) den seiner
Kenntnis, Erfahrung, Meinung nach individuell am besten passenden
Zuchthengst (sog. „Deckhengst“) aus.
Was jeweils passend ist, hängt von seinen Zuchtzielen ab,
ob er ein früh- oder spätreifes Pferd, ein antrittsschnelles
Pferd für Sprintrennen oder ein ausdauerndes Pferd für
Rennen ab 2.200 m Renndistanz züchten will. Neben den gezeigten
Rennleistungen der beiden Elterntiere werden ihre Pedigrees (die
Ahnenreihe bzw. der Stammbaum) bei den Zuchtdispositionen berücksichtigt.
Anhand der Pedigrees beurteilt der Züchter, ob er durch Inzucht
auf bestimmte präpotente Vorfahren deren bekannte Erbmerkmale
zu steigern vermag oder ob er durch die Anpaarung von Elterntieren,
die in den ersten Ahnenreihen wenige gemeinsame Vorfahren haben,
die genetische Variabilität des Nachkommens erhöhen
will (sog. „outcross“).
Für die Inanspruchnahme eines Zuchthengstes hat der Züchter
dem Halter des Deckhengstes ein Entgelt, die sog. „Decktaxe“
zu zahlen. Die Decktaxe kann bei begehrten, führenden Vaterpferden
durchaus fünf- und sechsstellige Summen ausmachen. Da führende
Deckhengste zwischen 60 und 150 Stuten pro Saison decken, sind
sie auch finanziell sehr wertvolle „Produktionsmaschinen“.
Die Bedeckung der Mutterstute durch den Deckhengst erfolgt im
Natursprung. Durch künstliche Besamung (engl. AI - artificel
insamination) gezeugte Vollblüter sind für das General
Stud Book nicht eintragungsberechtigt.
Auf Antrag des 'International Stud Book Comittee' werden die Namen
wichtiger Zuchthengste und Zuchtstuten geschützt. Per 1.
Februar 2007 enthielt diese Liste 4438 Namen, die für Vollblüter
nicht mehr vergeben werden dürfen.
Sonstige
Einsatzgebiete
Das
moderne Reitpferd ist ohne den Einfluss des Englischen Vollblüters
in der Landespferdezucht nicht möglich. In allen Landespferdezuchten
wurden Vollblüter als Veredler der häufig schweren Warmblutschläge
eingesetzt. Die Holsteiner Zucht hat mit Hilfe von Vollblütern
aus den ursprünglich eleganten aber schweren Kutschpferden
ein modernes Reitpferd geschaffen, das vor allem im Springen oft
an der internationalen Weltspitze steht. Neben ihrer Schnelligkeit
sind Englische Vollblüter aber auch gute Reit- und Springpferde.
So wird der Weltrekord im Hochsprung mit 2,47 m seit Februar 1947
von dem Englischen Vollblüter Huaso (1933 v. Faithful
a.d. Henry Lee (ARG) - Tremula) gehalten und
der Hengst Brillant (Fam. 28, Züchter Ferdinand
Leisten, 1949 v. Organdy - Bereitschaft v. Athanasius)
wurde 1952 Dritter im »Deutschen Galoppderby« und
gewann sowohl 1960 als auch 1961 unter Rosemarie Springer die »Deutsche
Meisterschaft Dressur der Damen« und war mit Willi
Schultheis im Sattel Sieger im »Deutschen Dressurderby« in
Hamburg.
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